Gipfel der Bildung_26_Strohschneider

Shownotes

SEINE ZWEITE KARRIERE begann mit einem Anruf. "Wären Sie bereit, dass wir Sie dem Herrn Bundespräsidenten für einen Sitz im Wissenschaftsrat vorschlagen?", sei er gefragt worden. Seine Gegenfrage lautete: "Was bedeutet das für meine Arbeitsbelastung?" Und dann, erzählt Peter Strohschneider, der zu dem Zeitpunkt Professor für Germanistische Mediävistik an der Universität München war, habe er die "übliche Lüge" zu hören bekommen: "Na ja, die treffen sich da so viermal im Jahr." Ein Jahr später bereits sei er Vorsitzender des Wissenschaftsrats gewesen. "Und mit den vier oder zwölf Arbeitstagen war es dann schon mal nix."

Strohschneider, 2005 bis 2011 Mitglied des Wissenschaftsrats und 2006 bis 2011 Vorsitzender dieses wichtigsten wissenschaftspolitischen Beratungsgremiums von Bund und Ländern, redet in einem neuen "Gipfel der Bildung" über sein Verständnis von Wissenschaft und was es für seine Arbeit bedeutet hat: als Wissenschaftler, als Wissenschaftsratvorsitzender und anschließend als Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft zwischen Anfang 2013 und Ende 2019.

"Mein eigenes höchst subjektives Experiment, seit ich Wissenschaftsverwaltung und Wissenschaftspolitik mache, besteht immer wieder darin, auszuprobieren, wie weit man in politische und institutionelle Machtzusammenhänge vorstoßen kann", sagt der 69-Jährige. "Ohne die Beobachtungsposition, ohne diese analytische Distanz preiszugeben. Und das ist immer wieder ein offenes Experiment."

Etwa als er im April 2017 beim March for Science mitgelaufen sei als Reaktion auf die erste US-Präsidentschaft von Donald Trump. Auch zu dieser Demonstrationsteilnahme in seiner Rolle als, wie Strohschneider sagt, "politischer Akteur" habe er zugleich eine kritische Distanz gehabt, "weil ich meine, dass solche Transparente und Parolen wie 'Follow the Science' oder 'Über Fakten kann man nicht diskutieren' die erkenntnistheoretische Komplexität wissenschaftlicher Wissensproduktion dramatisch unterbieten". Sie seien im Grunde ein Ausdruck einer Wissenschaftsgläubigkeit, "die sich selber gar nicht kritisch reflektieren kann".

Über diese Art naiver Wissenschaftsgläubigkeit, wenn sie sich mit einem tendenziell undemokratischen Machtanspruch verbindet, hat Strohschneider ein neues Buch geschrieben. "Wahrheiten und Mehrheiten. Kritik des autoritären Szientismus", heißt es, und über die Auswüchse und Folgen dieses Szientismus am Vorabend der zweiten Trump-Präsidentschaft redet er auch im Podcast mit Patrick Honecker und Jan-Martin Wiarda. Es geht um Querdenker, Wissenschaftsfeindlichkeit, die unpräzise Anwendung solcher Begriffe – und um Donald Trumps instrumentelle Auffassung von Wissenschaft.

Von sich selbst sagt Peter Strohschneider, er habe Freude daran, öffentlich zu reden. Auch eine Vorlesung sei eine Art von öffentlicher Rede, "und auch das ist etwas, was ich mit Vergnügen gemacht habe. Also vielleicht ist mir eine gewisse Rampensauhaftigkeit nicht vollständig fern."

Was die Zukunft der liberalen Demokratie betreffe, könne er sich nicht zwischen Pessimismus und Optimismus entscheiden, sagt der Mediävist. Die liberale Demokratie befinde sich "in einer wirklich herausfordernden und auch ihre Grundlagen – den Common Ground einer gemeinsamen, eines gemeinsam getragenen Rationalitätsrahmens zum Beispiel –provozierenden Phase". Und daraus folgere er: "Man muss, man muss für diese liberale Demokratie streiten. Dass dieser Streiterfolgreich sein kann, davon halte ich mich überzeugt. Ob er erfolgreich sein wird, das ist tatsächlich eine offene Frage."

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